Ich gehe durch die teilweise sehr engen Gänge und es ist alles irgendwie surreal. Die Wände sind geschwungen, gebogen oder wellenförmig. Alles ist rot-orange, von oben fällt teilweise nur wenig Tageslicht in die enge Schlucht. So muß ein LSD-Trip sein, denke ich mir. Aber keine Angst, ich bin nicht auf Drogen, ich befinde mich im Lower Antelope Canyon in Arizona, dem wahrscheinlich berühmtesten Slotcanyon der USA.
Inhalt
Eine unerwartete Einladung
Immer noch geflasht von den Eindrücken des Canyons gehe ich langsam, den Blick immer wieder hin und her schweifend, Richtung Treppe, die mich wieder ans Tageslicht führt. Nur schwer kann ich mich von der irrealen Welt des Antelope Canyons trennen. Oben auf der Treppe sehe ich meinen Freund, der etwas vorgegangen ist, stehen und sich mit einem älteren Herrn unterhalten. Da Amerikaner ja gerne Small Talk halten bin ich nicht verwundert und stelle mich dazu. Wie die meisten fragt auch er woher wir kommen, was wir schon alles in den USA gesehen haben und wohin wir noch fahren werden. Nachdem wir alle Fragen beantwortet hatten, dachte ich eigentlich, daß unser Gespräch gleich beendet ist. Aber weit gefehlt.
Er erzählt, daß er mit seinem Motorhome alleine unterwegs ist und auch ein kleines Motorboot dabei hat. Und er fragt, ob wir nicht Lust hätten, mit ihm am nächsten Tag über den Lake Powell zur Rainbow Bridge zu fahren. Ein paar deutsche Studenten, die er eben getroffen hatte, hat er auch eingeladen. „It will be fun“, meinte er nur. Ich war doch etwas skeptisch, aber mein Freund sagte direkt, klar, machen wir gerne, wir müssen nur klären, ob wir noch eine weitere Übernachtung in Page bekommen. Also verabreden wir uns für Abends in seinem Motorhome, welches auf dem Wal Mart Parkplatz steht.
Der Plan steht
Den ganzen restlichen Tag war ich immer noch unsicher, was ich von der Sache halten sollte. Abends machen wir uns trotzdem auf dem Weg zum Wal Mart. Freudig und etwas erleichtert, daß wir gekommen sind, werden wir von Rob empfangen. Er zeigt uns sein kleines Reich und erzählt uns erst einmal sein halbes Leben, was alleine einen Artikel füllen würde. Man merkt, daß er nicht viel Unterhaltung hat und oft alleine ist. Nur soviel möchte ich erzählen: Er ist über 70, er war Pilot bei American Airlines, ist mehrfach geschieden und lebt und reist jetzt mit seinem Motorhome und Boot durch die USA.
Als dann nach einiger Zeit die vier Studenten (3 Männer und eine Frau) eintreffen, schmieden wir den Plan für den nächsten Tag.
Früh am Morgen treffen wir uns um erst einmal Proviant für den Tag einzukaufen. Und wo geht das besser als in den wunderbaren amerikanischen Supermärkten. Wir kaufen frisches Obst, Kekse, Sandwiches und ausreichend Getränke. Rob läßt es sich nicht nehmen, für uns alle zu zahlen. Nachdem alle Einkäufe in seinem Wohnzimmer verstaut sind, fahren wir alle zur Marina am Lake Powell. Dort wird das kleine Motorboot zu Wasser gelassen. Beeindruckend, wie Rob dieses riesige Motorhome rückwärts zum See runter und vorsichtig den Bootsanhänger ins Wasser fährt.
Wir tragen alle unsere Vorräte in das Boot, füllen das kleine Kühlfach mit Eis um alles notwendige zu kühlen, klettern ins Boot und düsen los.
Alleine an der Rainbow Bridge
Die rasante Fahrt führte uns erst einmal zu der nächsten Tankstelle, denn wir möchten ja nicht, daß uns der Sprit ausgeht. Nach dem Tanken fahren wir los Richtung Rainbow Bridge. Es ist schon toll, durch die karge Landschaft zu fahren. Vom Wasser aus erkennt man viel besser, daß der Lake Powell mal ein Canyon war. Man sieht aber auch an dem hellen Streifen am Ufer, daß der Wasserstand in den letzten Jahren deutlich gefallen ist. Rob hat sichtlich Spaß und versichert uns immer wieder, daß es vollkommen ok ist, wenn wir uns auf deutsch unterhalten. Die Männer müssen natürlich auch alle mal ans Steuer und werden dort wieder zu kleinen Jungs. Wir beiden Mädels machen es uns, soweit möglich, im Heck des Bootes gemütlich und genießen den Tag. Immer wieder begegnen wir anderen Schiffen, kleineren Privatbooten aber auch den großen Ausflugsschiffem.
Nach ungefähr 2 Stunden fahrt biegen wir in einen Seitenarm ein. Hier wird es direkt kurviger, ein wenig schattiger und das Tempo langsamer. In gemächlichem Tempo folgen wir dem Arm, der eher an einen Fluß erinnert, bis wir einen Steg erreichen. Dort liegt zu unserem entsetzen ein Ausflugsboot. Da aber schon die ersten der Ausflügler zurück zum Boot gehen, warten wir geduldig in einiger Entfernung, bis alle wieder an Bord sind und das Schiff ablegt.
Dann legen wir am Steg an, packen unseren Proviant ein und gehen zur Rainbow Bridge. Es sind schon ein paar Meter, aber nach wenigen Minuten erblicken wir den riesigen natürlichen Felsbogen. Irre. Wie von Menschenhand geschaffen steht die riesige Brücke dort. Und das beste ist, daß wir ganz alleine hier sind. Keine Menschenmassen, die in jedes Bild laufen und unter dem Bogen posieren, wie es z.B. im Arches NP beim Delicate Arch der Fall ist.
So haben wir ausreichend Zeit, um genügend Bilder zu schießen. Da wir uns noch im analogen Zeitalter befinden, sind es dann aber doch nicht so viele geworden. Während wir unsere Fotos machen, sitzt Rob vergnügt an der Seite auf einem Stein und beobachtet das Treiben. Als alle Fotos gemacht sind, setzten wir uns zusammen und machen ein gemütliches Picknick. Es ist einfach toll, dort mitten in der Natur zu sitzen, weit und breit ist von der Zivilisation nichts zu sehen, aber auch nichts zu hören.
Irgendwann ist dann die Zeit für den Aufbruch gekommen, denn wir wollen ja noch wieder zurück zur Marina.
Im Schneckentempo über den Lake Powell
Also legen wir ab und Rob fährt uns gemächlich den schmalen, kurvigen Seearm entlang. Als wir den See erreichen, darf wieder jeder ans Steuer, der mal möchte. Mit wechselnden Steuermännern geht die rasante Fahrt los zum Heimathafen. Nach Anweisung von Rob fahren wir durch den Canyon. Plötzlich gibt es einen Knall, das Boot schwankt und der Motor geht aus. Alle sind ziemlich erschrocken und erst einmal ratlos. Nach und nach erkennt Rob, was passiert ist. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes ist die Wasserhöhe an einigen Stellen niedriger, als sie in der aktuellen Karte des Sees verzeichnet ist. Daher sind wir über einen Felsen gefahren und haben unsere Schraube beschädigt. Mit dieser Erkenntnis ist der Schock erst einmal groß, denn es ist nicht klar, ob wir weiterfahren können. Nach einigen Versuchen springt zum Glück der Motor wieder an, aber aufgrund der beschädigten Schraube können wir nur mit geringer Geschwindigkeit weiter fahren. Es ist auch nicht klar, ob der Motor uns bis zur Marina bringt. Nach all diesen Nachrichten bin ich ziemlich beunruhigt, vor allem als Rob noch erklärt, daß er kein Funkgerät an Bord hat.
Also tuckern wir ganz langsam weiter. Weit und breit ist kein weiteres Schiff zu sehen. Die Sonne steht mittlerweile relativ tief, so daß die Temperaturen langsam sinken. Während der schnellen Fahrt bin ich durch das Spritzwasser naß geworden und ich merke, wie die Kälte langsam aber stetig immer mehr wird. Auch ein umgebundenes Handtuch bringt leider nicht viel. Aber was soll’s, ich kann es ja nicht ändern.
Unsere Fahrt geht weiter im Schneckentempo, die Dämmerung bricht langsam herein, keiner spricht. Die Stimmung ist umgeschlagen und nicht mehr so ungezwungen und fröhlich wie noch auf der Hinfahrt. Plötzlich sieht einer die Lichter der Marina und alle sind erleichtert. Aber es dauert noch etwas, bis wir den Hafen erreichen.
Abschluß eines aufregenden Tages
Endlich erreichen wir unser Ziel und können das Schiff wieder auf den Hänger laden. Unser Angebot, die Reparatur der Schiffsschraube zu bezahlen, lehnt Rob kategorisch ab. Ganz im Gegenteil läßt er es sich nicht nehmen, uns alle zu einem Burger einzuladen. So beenden wir den tollen und aufregenden Tag mit einem typisch amerikanischen Abendessen bei Denny’s.
Dieser Ausflug war Teil meines Roadtrips durch den Südwesten der USA 2002. Aus diesem Grund ist die Qualität der Fotos nicht so gut.
Hi Ina,
das ist eine wundervolle Geschichte von einem Ausflug, um den ich Dich beneide. Alleine an diesem Bogen zu sein, ein Traum.
Immer wieder finde ich es spannend, wie locker die Amis sind. Da lädt ein älterer Herr mal eben ein paar wildfremde Menschen zu so eine Tour ein. Irgendwie klar, dass wir bei sowas immer skeptisch sind, hier zu Hause ist das ja auch (fast) undenkbar. Bisher haben wir aber in den USA die Erfahrung gemacht, dass die Sorgen bei sowas völlig unbegründet sind.
LG Thomas
Hallo Thomas,
ja, das ist ein unvergeßliches Erlebnis. Vor allem wenn man sieht, wie der Lake Powell sich in den letzten Jahren verändert hat.
Die Amerikaner überraschen mich auch immer wieder. Bis jetzt haben wir auch noch keine schlechten Erfahrungen gemacht und uns dort immer wohlgefühlt.
Lg
Ina